
kolumnen
Käse
Ferien in den Bündner Bergen. Nach einstündiger Wanderung bin ich auf der Alp und kaufe dort dem Sennen für 16 Franken ein Kilo Käse ab. Der Senn kauft dafür beim nächsten Besuch im Tal vielleicht ein paar Flaschen Bier oder Nastücher. Was er halt so braucht. Ich hätte ihm natürlich das Bier oder die Nastücher auch auf die Alp bringen können als Bezahlung für den Käse. Aber weil ich nicht weiss, was er braucht, kauft er sich die Sachen besser selbst. Das Geld dient uns als Tausch- oder Informationsmittel. Mit dem Geld kann er dem Stoffhändler "mitteilen", dass er mir für 16 Franken Käse gegeben hat und darum ein Recht hat auf Taschentücher, für höchstens diesen Betrag. So weit so simpel.
Sobald man das Modell ein wenig erweitert - mein Geld muss ja irgendwo herkommen und der Stoffhändler will das Käsegeld vielleicht für eine Nähmaschine weiterverwenden - wird es kompliziert. Banken und verwandte Institutionen kommen ins Spiel. Dafür, dass diese das Geld an die Orte bringen, an denen es gebraucht wird, bekommen sie - wiederum simpel - eine Entschädigung. Das ist klar und in Ordnung.
Das Problem liegt darin, dass das Geld selber zum Geschäft geworden ist. Simpel ist dabei kaum mehr etwas und die Geldmengen, die täglich bewegt werden, übersteigen jedes Vorstellungsvermögen. Die Finanzquote hat mittlerweile gar die Staatsquote überholt. Gut möglich also, dass mein Senn einen rechten Teil seines Geldes weder für Bier noch Werkzeug ausgibt, sondern damit Zinsen und Gebühren bezahlt. Vielleicht hat er sich auch beeindrucken lassen vom leichten Geld, das scheinbar mit den immer neuen "Produkten" der Finanzwirtschaft verdient werden kann. Also investiert er den Gewinn eines guten Sommers in Aktien anstatt in die Erneuerung des Stalles. Wenn er Glück hat, kann er mit dem Gewinn den Stall renovieren. Wenn nicht, dann habe auch ich Pech, weil er wegen dem eingestürzten Stall keinen Käse mehr herstellt. Glück und Pech? Trotz all der Beraterinnen und Experten? Ja doch! Den Gold scheissenden Esel - also sichere und hohe Gewinne für alle - gibt es einfach nicht, auch wenn viele Anlegerinnen lieber an den Esel glauben als sich zu überlegen, wo ihre Gewinne herkommen oder was die Spekulation an der Börse für Auswirkungen auch auf den eigenen Arbeitsplatz haben könnte. Zugegeben, es ist extrem schwierig, hier den Überblick zu behalten und wer in den Winkeln des Systems gute Geschäfte macht ist natürlich nicht unbedingt an offener Information interessiert.
Es liegt aber trotzdem auch in der Verantwortung jedes Einzelnen, darauf zu achten, was mit seinem Geld passiert und darauf hinzuwirken, dass Real- und Finanzwirtschaft in Einklang sind. Denn auch wenn der Senn Berge von Geld anhäufen kann: Essen kann ich trotzdem nur den Käse.