
kolumnen
Variante blau
Was tut man, wenn ein Fluss über die Ufer zu treten droht? Man baut Dämme. Was macht man, wenn das Feuer zum Cervelat braten plötzlich anfängt, unkontrolliert zu lodern? Man schmeisst die Picknickdecke drüber, zum Beispiel. Und was hat man gemacht, um die Redewut der Kantonsratsmitglieder zu limitieren? Man hat eine Redezeitbeschränkung eingeführt. Deshalb passiert es nun immer wieder, dass der Ratspräsident mitten in einer flammenden Rede auf seine Glocke, die man sich wie eine überdimensionierte Klingel an einer Hotelreception vorstellen muss, haut und ruft, Herr Sowieso, ihre Redezeit ist abgelaufen!
Und was tun wir, wenn die Flieger zu viele werden? Wir reden dem Lärm-Fluss gut zu, doch bitte nicht auf unserer Seite den Damm zu brechen, wir blasen ins Feuer, damit es sich in die andere Richtung ausbreitet, und niemand bimmelt mit der Glocke und sagt, jetzt sei es aber genug.
Norden, Osten, Westen und Süden beglücken die öffentlichkeit in regelmässigen Abständen mit Medienmitteilungen, Aktionen, Demonstrationen und Briefen, dass es eine Art ist. Das führt aber dazu, dass in dem ganzen Informations-Nebel niemand mehr so recht weiss, was jetzt für wen gut oder schlecht ist, wer sich mit wem gegen wen und warum einsetzt - vielleicht wissen die Leute manchmal nicht einmal mehr, ob sie im Osten, Westen, Norden oder Süden des Flughafens wohnen. Da haben wir KlotenerInnen es besser, wir sind einfach AM Flughafen. Leiser ist es aber deswegen auch nicht, das sei einmal deutlich gesagt!
Welche Variante des Betriebsreglementes nun welche Auswirkungen auf wen hat, ist immerhin in farbigen Nebel gehüllt. Und die Variante, die am meisten Wachstum zulässt ist mit "grün" gekennzeichnet. Richtig perfid! Es gab auch rot, pink, violett und orange. Die Farben vermischten sich im Laufe der Diskussionen. Jetzt gibt es auch eine Variante beige und das finde ich wirklich schön. Schweizerischer geht es gar nicht mehr! Aber das nur nebenbei.
Die Flughafenbetreiberin lichtet den Nebel keineswegs, sondern steuert immer wieder Rauchbomben bei in Form von immer neuen Vorschlägen, wie die Kapazität des Flughafens auch noch erhöht werden könnte. Die entstandene Verwirrung nutzt sie dann schamlos, um ihre Interessen voranzutreiben, derweil die Bevölkerung im Nebel versucht, eine Orientierung zu finden und damit beschäftigt ist, sich darüber zu streiten, welchem Nebelhorn man folgen solle. Damit muss Schluss sein, wenn wir am Ende nicht als die Dummen dastehen wollen. Und es gibt meiner Meinung nach eine Massnahme, die für frischen Wind sorgen und den Nebel vertreiben kann: Das Wachstum des Flughafens muss beschränkt werden. Erst wenn man weiss, mit wieviel Belastungen man wird rechnen müssen kann man auch entscheiden, ob man bereit ist, seinen Teil zu tragen. Mit der Aussicht auf unbegrenztes Wachstum in alle Richtungen kann niemand in dieser Gegend leben und deshalb wehren sich alle nach Kräften, das ist logisch. Ebenso logisch ist es, dass sie einlenken werden, wenn es einen verbindlichen "Deckel" gibt.
Alle, die sich in den letzten Monaten engagiert haben, sollten jetzt einmal die lokalen Interessen vergessen und sich für die Beschränkung der Anzahl Flugbewegungen (oder meinetwegen eines anderen Masses, wenn es denn eines gibt) einsetzen. Danach erst ist der Weg offen für Verhandlungen, wer wann wieviel Fluglärm zu übernehmen bereit ist.
Die Schweiz kann eines perfekt: Kompromisse finden. Es ist an der Zeit, am Flughafen endlich zu einem Kompromiss zwischen Profit und Lebensraum zu kommen. Das könnten wir dann Variante blau nennen zum Beispiel, die Farbe von Frieden und Kommunikation - passt doch perfekt.