
kolumnen
FERIEN? FERIEN!
Warum macht der Mensch eigentlich Ferien?
Familienmenschen haben es zum Beispiel schwer. Nur im Hotel hätte man wirklich frei, aber das ist mit Kindern erstens teuer und kann zweitens im Speisesaal zu nicht wirklich entspannten Situationen führen. Also bleiben Ferienwohnung, Zelt oder Wohnwagen. Da hat man weniger Platz als sonst, wenn's blöd kommt keine Abwaschmaschine und keine Waschmaschine aber gleichviel Wäsche und gleich viele Leute am Tisch. Alles wie zu Hause, bloss mühsamer zu bewältigen.
Doch wenn der Mensch nicht zu Hause ist, gerät auch Triviales zum Abenteuer. Was waren wir stolz, als es mit vereinten Kräften gelang, auf einem schmuddligen Zeltplatz die in einem düsteren Keller stehende und Angst einflössend grosse Waschmaschine in Gang zu setzen. Was habe ich mich darüber gefreut, dass das Monstrum unsere Kleider sauber und unversehrt wieder hergegeben hat. Bei der heimischen Maschine setze ich das einfach voraus. Oder als wir es in Spanien schafften, mit einem Gerät das aussah wie ein Spielautomat ins Internet zu kommen. Ein Vorgang, der zu Hause ohne grosses überlegen abläuft wird zum Ereignis und Erfolgserlebnis. Ganz zu schweigen vom Glücksgefühl, beim Anblick eines Glases Nutella in einem Lädeli quasi am Ende der Welt.
Ist es diese Differenz, zwischen dem Alltag und dem Ungewohnten, die uns lockt? Faul herumliegen könnte ich auch zu Hause. Wo es diesen Sommer sogar wärmer gewesen wäre. Zu Hause hätte ich allerdings nicht gesagt: "Psst, hört mal, das ist ein Flugzeug". Leider fuhr dann ein Traktor über die Wiese, so dass es aus war mit dem Fluglärm. Aber ich habe immerhin begriffen, was Leute in Winterthur oder dem Zürcher Oberland meinen, wenn sie sagen, dass sie unter Fluglärm leiden. Tatsächlich hört man die Flugzeuge auch bei ihnen. Und im Bündner Oberland. Unterhalten müsste man sich allenfalls darüber, ab wann etwas "Lärm" ist.
Doch wer will sich auch noch in den Ferien den Kopf darüber zerbrechen, wie man Süden, Osten, Norden und Westen in Einklang bringen könnte? In den Ferien liegt das Zentrum der Welt genau dort wo ich bin und was rundherum passiert, will ich eigentlich gar nicht wissen. Auch diese Erfahrung gehört zu Ferien: Die Welt dreht sich problemlos ohne mich. Das mag den einen das Gefühl geben, überflüssig zu sein. Ich finde es beruhigend zu merken, dass die Last dieser Welt nicht (nur) auf meinen Schultern ruht. Und das allein ist auf jeden Fall Ferien-Grund genug.