
kolumnen
Schutzangela
Es wird wieder gelärmt am Flughafen. Zum Glück für die Anwohnenden mal nur auf dem Papier. Man hat gerechnet und gerechnet und jetzt einen ZFI-Bericht vorgelegt. Die Resultate sind spannend: Obwohl die Anzahl der Flugbewegungen in der berechneten Zeit (2005 bis 2006) sank, stieg die Anzahl der stark gestörten Personen. Durch Fluglärm gestörten, versteht sich. Diese Zahl wird weiter wachsen, weil die Menge der Flugbewegungen nun wieder steigt, ebenso wie die Bevölkerungszahl im betroffenen Gebiet. Zuerst habe ich gestaunt, dass die Regierung mit dem Bericht „zufrieden“ ist und seelenruhig die Behördeninitiativen ablehnt, die von einem guten Drittel aller Gemeinden eingereicht wurden und eine Begrenzung der Flugbewegungen fordern. Aber bald dämmerte es mir: man weiss bereits, wem man den Schwarzen Peter in die Schuhe schieben kann. Denn nicht wahr, die Leute sind doch wirklich selber schuld, wenn sie ins Fluglärmgebiet zügeln und dadurch die Anzahl der Gestörten steigt. Die stört der Fluglärm ja gar nicht! Darum kann man dann auch locker den Fluglärm auf weniger Gebiete konzentrieren – weil gestört ist gestört, da kann man ruhig noch mehr stören, der ZFI-Formel ist das Wurst.
Aber so einfach ist es eben nicht. Viele Leute wohnen in einer Gegend, die früher nicht stark von Fluglärm belastet war. Viele lebten schon zu Zeiten hier, als noch halb so viele Flüge abgewickelt wurden wie heute. Das Flughafengebiet ist auch Heimat und daran hängt der Mensch. Ausserdem wird man nie mit letzter Sicherheit wissen, wo nun wirklich geflogen wird und wo nicht. Also wohin zügeln, wenn man in der Nähe des Arbeitsplatzes bleiben möchte? Im Flughafengebiet zu wohnen heisst nicht, Fluglärm cool zu finden, sondern man hat häufig gar keine Alternative.
Ich habe übrigens gelesen, dass nur 0,2 Prozent der betroffenen Menschen in Süddeutschland wohnen. Ihretwegen müssen wir anderen aber eine ziemliche Ladung mehr Lärm übernehmen, weil wir keinen Schutzengel in Berlin haben. Liebe Deutsche, die ihr auch am Flughafen arbeitet und mittlerweile praktisch überall bei uns anzutreffen seid: Wärt ihr nicht so nett und würdet bei euch zu Hause mal schauen, dass man zu einer vernünftigen Lösung kommt? Es macht schon ein bitzeli Mühe zu begreifen, warum die Landesgrenze eine Lärmgrenze sein soll. Ist doch in Zeiten der Globalisierung nicht mehr so „in“, diese Abschottung, nicht? Wir wären da jedenfalls sehr offen und sind froh, wenn’s konkret besser wird statt auf dem Papier schlechter.