Deko

kolumnen

Pling!

Mit dem „Pling“ der Glocke, die das Ende der Kantonsratssitzung signalisierte, war es vorbei, mein Dasein als Politikerin. Das war vor drei Monaten und seither fragen mich die Leute mit besorgtem Unterton, wie es mir gehe. Was ich denn jetzt mache. Ob ich wirklich gar kein Amt mehr habe. Nein, habe ich nicht. Und es geht mir prima, danke der Nachfrage. Es gibt ja auch das Leben neben der Politik und das macht mindestens genau so viel Spass. Ich erinnere mich, wie ich zum ersten Mal gefragt wurde: „Was meinst du als Politikerin dazu?“. Ich? Politikerin? Gott behüte, das war etwas für ältere und gescheitere Leute. Als Vorstandsmitglied der SP Kloten fühlte ich mich keineswegs als Politikerin.
Schon damals, es dürfte vor etwa 25 Jahren gewesen sein, genossen Politikerinnen und Politiker einen zweifelhaften Ruf und Herr Blocher wetterte gegen die „classe politique“. Nebenbei: Noch immer frage ich mich, was denn eigentlich aus ihm geworden wäre, ohne selber zur „classe politique“ zu gehören. Ein steinreicher Unternehmer, mehr nicht. Unsereins wäre ja damit zufrieden, aber – wenn ich hier mal eine wissenschaftlich vollkommen nicht fundierte Theorie zum besten geben darf – Herr Blocher ist von eher kleiner Statur und es gibt kleine Menschen, die einen unglaublichen Ehrgeiz entwickeln um der Welt zu beweisen, dass sie auch Grosse sind.
Item: ich habe mich im Lauf der Jahre daran gewöhnt, auch Politikerin zu sein. Den grösseren Teil meiner Zeit verbrachte ich allerdings mit Arbeit und Familie, so wie das bei fast allen Politikern in unserem Land der Fall ist. Meine Befürchtung, auf Ablehnung zu stossen, wenn ich mich als Politikerin oute, hat sich nicht bewahrheitet. In all den Jahren und bei all den Begegnungen war der Ton im Umgang mindestens höflich, respektvoll, häufig freundschaftlich und manchmal sogar bewundernd. Es ist ungefähr so wie bei Leuten, die gegen Ausländer sind. Grundsätzlich sind sie der Meinung, Fremde sollen dort bleiben wo sie herkommen. Ausser die, die man persönlich kennt. Die sind nämlich nett und anständig.
Wenn man jetzt bedenkt, dass alle Ausländer auch Inländer kennen… Aber ich schweife schon wieder ab. Was ich eigentlich sagen wollte: Politiker aus der Nähe betrachtet sind auch bloss Menschen. Manchmal sympathisch, manchmal nicht, so gescheit oder dumm wie der Rest des Volkes auch. Es ist nur eine dünne Linie zwischen Liebe und Hass, wie einst die Pretenders sangen, und es liegt auch nur eine dünne Linie – resp. das Pling der Glocke – zwischen Politikerin und Nicht-Politikerin.

©2025 Regula Götsch Neukom - Webdesign: Atelier Neukom