Deko

kolumnen

Do-it-yourself

Als frühpensionierte Politikerin habe ich wieder Zeit, die nicht verplant ist, herrlich. Aber auf dem Sofa sitzen und der Welt beim Drehen zuschauen ist nicht meine Sache. Also fing ich an, aufzuräumen. Babykleider, Spielsachen und Krempel musste Platz machen. Dabei fiel mein Blick auf zwei traurige Gestalten. Zwei Stühle, die einst die einzigen Sitzgelegenheiten in meiner ersten Wohnung darstellten und aus dem Brockenhaus resp. von meiner Grossmutter stammen. Seit Jahren zerfallen sie vor sich hin. Gleich nach diesem Fund fiel mir auch noch das Büchlein „Altes und Antikes aufarbeiten“ in die Hände und das Schicksal der Stühle war besiegelt: sie werden von mir renoviert.
Fröhlich machte ich mich an die Reparatur des ersten Wackelkandidaten. A propos Kandidaten: Belohnen Sie doch bitte den Aufwand, den momentan Kandidierende für den Kantons- und Regierungsrat auf sich nehmen. Trotz Eiseskälte und Regen sind sie jedes Wochenende auf der Strasse unterwegs, wo sie für sich und ihre Partei werben. Sich über die demokratische Bewegung in den arabischen Ländern freuen ist das eine. Aber unsere eigene Demokratie muss ebenfalls gepflegt werden und deshalb: Gehen Sie bitte wählen resp. schicken Sie ihr Wahlcouvert rechtzeitig ein. Sie haben es da ja viel einfacher als die Tunesier oder Ägypterinnen, von den Libyern ganz zu schweigen.
Zurück zum Stuhl: Zuerst habe ich ihn auseinandergenommen. Das hat er leidlich gut überstanden und ich selber trug nur kleine Verletzungen davon. Was kaputt ging waren alte Dübel und die dann sauber aus ihren Löchern zu entfernen ist nicht lustig. Aber ich schaffte es. Frohgemut leimte ich neue Dübel in die Löcher. Im Überschwang habe ich dann aber nicht mitgezählt. Ein Dübel als Verbindung von zwei Löchern würde ja eigentlich genügen... Uff, frisch eingeleimte Dübel gehen kein bisschen leichter raus als alte. Aber auch das war irgendwann geschafft.
Angesichts der Schraubzwingen am frisch geleimten Stuhlbein kommt mir unser AKW Mühleberg in den Sinn, das scheint’s wegen Rissen von Klammern zusammengehalten werden muss. Eine äusserst beunruhigende Vorstellung, muss ich sagen. Und bei der Arbeit am wackligen Stuhl spüre ich wieder, woher die Motivation für das politische Engagement einst gekommen ist: Aus der Überzeugung, dass man das Schicksal unserer Welt nicht einfach „den anderen“ überlassen darf. Do-it-yourself gilt eben nicht nur für alte Möbel, sondern auch für unsere Zukunft.

©2025 Regula Götsch Neukom - Webdesign: Atelier Neukom