
kolumnen
Alt? Alt.
Früher hiess es jeweils: „Mama, äs hät kei Socke me“. Gestern stand eines der Männer-Kinder vor dem familiären Sockenlager und sagte: „Insufficient amount of socks“. Obwohl ich mich ja für eine Mutter halte, die einigermassen up-to-date ist, entfuhr mir ein „hä?!“. Hie und da fühle ich mich einfach sooooo alt. „Das bist du ja auch“, würden meine charmanten Sprösslinge jetzt sagen, liesse ich sie zu Wort kommen.Langsam neige ich allerdings dazu, ihre Sicht zu teilen. So weiss ich von einer gleichaltrigen Kollegin, dass es schwierig wird, wenn ich eine neue Stelle suchen sollte. „Zu alt“, hat sie oft als Begründung von Absagen gehört. Und das ist bereits zwei Jahre her. Politisch bin ich bereits pensioniert. Zwar frühpensioniert, wenn man das Alter betrachtet, aber doch pensioniert. Ohne Rente, nicht dass Sie da etwas Falsches denken.
Mein Vater meinte anlässlich meines kürzlichen, 48. Geburtstages, er habe sich nie vorstellen können, einmal eine fünzigjährige Tochter zu haben. Eine Freundin wollte mich trösten: „Du siehst nicht aus wie 50“. ICH BIN AUCH NOCH NICHT 50! Aber bald. Ich fühle mich alt. Das ist ja auch in Ordnung. Noch vor hundert Jahren hätte ich gemäss der damals durchschnittlichen Lebenserwartung noch knappe neun Monate zu leben. Heute sind es stattdessen 35,5 Jahre. Unglaublich, nicht wahr? Alle Entwicklungen der letzten hundert Jahre haben mir mehr als 34 Jahre Lebenszeit geschenkt – wenn nichts Dummes dazwischen kommt.
Stellen Sie sich vor, es steht plötzlich der liebe Gott vor der Tür und sagt: Da, bitteschön, noch einmal 34 Jahre. Was hätte ich getan? Gesagt „Märssi villmal, möchtest du einen Kaffee?“. Jedenfalls hätte ich danach sicher angefangen zu überlegen, was ich jetzt anfange, mit fast noch mal einem ganzen Leben. Es ist ein anderes Leben, als man es mit zwanzig beginnt. Die Frage nach Kindern hat man in der Vergangenheit beantwortet und so manche andere auch. Ich grüble darüber nach, was denn jetzt kommen soll. „Das hat einen Namen“, meinte ein Freund, „midlife crisis“. „Wieso midlife?“, prustet ein anderer in der Runde los. Ich glaubte er wolle sagen, dazu sei ich zu jung. Aber er meinte das Gegenteil, nämlich dass ich da doch bereits drüber hinweg sein müsste. Ich fühle mich alt.