
kolumnen
Krimi
Der grosse Mann mit Dächlikappe sass frühmorgens auf den Stufen am Altbach. Er sass eigentlich nicht richtig. Sein Oberkörper war auf die Knie gesunken und die Arme hingen schlaff an der Seite herunter. Silvia kam auf dem Rückweg von der Mütterberatung zum zweiten Mal an der Stelle vorbei. Der Mann hatte sich nicht gerührt und das fand sie unheimlich. Sie ging weiter zum Stadthaus und berichtete dort von ihrer Beobachtung. Als sie wieder raus kam, sah sie zuerst nicht zum Stadtpark hinüber, weil gerade ein Tram vorbeifuhr. Danach erkannte sie, dass eine zugedeckte Bahre in einen Krankenwagen geschoben wurde. Silvias Tochter quengelte und Silvia nahm Kurs auf das Kaffee am Stadtplatz. Davor spielten ein paar Kinder ausgelassen in den Laubhaufen, die sich unter den Bäumen angesammelt hatten. Im Kaffee traf sie ihre Freundinnen Mia und Elisabeth. Es wurde bereits wild spekuliert. „Der hat sicher zu viel gesoffen, den Heimweg nicht mehr gefunden und ist erfroren“ vermutete Mia. Elisabeth wusste mehr: „Ich habe den gestern auf einer Bank unter dem Blütenbaldachin hinter dem Stadthaus gesehen. Er hat sich mit der Frau des Uhrmachers unterhalten. Sie sassen auffallend nahe beieinander. Wobei: Die Frau wirkte verzweifelt, der Mann genervt. Ich habe noch gesehen, wie er aufstand und in Richtung Migros verschwunden ist.“ In dem Moment hörte man erneut die Sirene eines Polizeiautos. „Ich glaube, da ist auf der Schaffhauserstrasse etwas passiert. Ich war ja schon immer skeptisch, ob die Aufhebung der Fussgängerstreifen nicht doch gefährlich ist. Mittelstreifen hin oder her“, liess sich die Bedienung im Kaffee vernehmen. Silvia wollte sich nicht dem Vorwurf des Gaffens aussetzen und machte sich auf den Heimweg, obwohl unschwer zu erkennen war, dass tatsächlich ein Unfall passiert sein musste. Am nächsten Tag las Silvia die ganze Geschichte im Anzeiger der Stadt Kloten: Das Unfallopfer auf der Schaffhauserstrasse war der Uhrmacher. Seine Frau hatte ihm gebeichtet, dass sie den Fremden mit der Dächlikappe in der Nacht im Stadtpark erstochen hatte. Er war ihr Geliebter, der sie aber wegen einer anderen verlassen wollte. Das regte den Uhrmacher zwar ziemlich auf, aber er blieb einigermassen ruhig. Als seine Frau dann jedoch berichtete, wer die neue Geliebte ihres Ex-Liebhabers sei, rannte der Uhrmacher zutiefst verzweifelt und noch in den Finken auf die Strasse, direkt vor einen Lastwagen. Er war sofort tot. So verloren sowohl die Frau als auch die Geliebte des Uhrmachers an einem einzigen Tag beide ihre beiden Männer. Gälled Sie, man merkt fast nicht, dass ich an einem Krimi-Schreibkurs gewesen bin, oder? Die Personen sind frei erfunden und die Klotener Szenerie Zukunftsmusik. Aber eine schöne.