
kolumnen
Fifty – fifty
Es gibt Dinge, die weiss man und begreift sie trotzdem nicht. Als ich vor einer Woche aufwachte war das ein ganz normaler Morgen und der Unterschied zum vorherigen Abend war einzig der, dass ich nicht mehr müde war. Ich fühlte mich wie immer, dabei hatte sich mein Leben über Nacht grundlegend verändert. Ich gehörte zu einer neuen Alterskategorie. Ab sofort darf ich an Ü50 Partys teilnehmen. Dabei habe ich erst kürzlich überlegt, ob vielleicht so eine Ü40 Party etwas Lustiges sein könnte!
50 – das ist definitiv nicht mehr jung. Das ist tiefes Mittelalter. Jedenfalls aus meiner Sicht. Seit ich Kantonsrätin war erhalte ich eine Zeitschrift die 50+ heisst. Sie hat mich ungefähr gleich stark interessiert wie die „Schweizerzeit“ oder die Zusendungen der Erdöl-Vereinigung. Aber jetzt gehöre ich da plötzlich zur Zielgruppe! Noch bin ich erst am Rand der Zielgruppe. Noch findet die junge Reitlehrerin, dass sie mich jünger geschätzt hätte. Noch zögerte der ebenfalls junge Coiffeur beim Haarewaschen zu fragen, um welchen runden Geburtstag es sich denn handle. Aber das wird nicht so bleiben.
Es gibt übrigens einen interessanten Effekt: Leute die man schon lange oder sehr lange kennt kommen einem jünger vor als Gleichaltrige, die man neu kennenlernt. Als ich im Hotel gearbeitet habe bin ich verschiedentlich erschrocken, als ich auf dem Meldezettel der älteren Herrschaften deren Jahrgänge entdeckte. Leute bei denen ich mich wunderte, dass sie in ihrem Alter noch Skitouren machen, waren jünger als ich.
„Der fünfzigste Geburtstag ist der, bei dem man nicht mehr so locker alles gute für die zweite Lebenshälfte wünscht“. So eine frisch pensionierte Freundin. So ist es. Man meint, den Sensemann von Ferne schon ein bisschen mit seinem Gerät winken zu sehen. Man kann sich nicht vorstellen, dass Besseres kommen könnte als man schon erlebt hat. Oder wenigstens gleich Gutes.
„Blödsinn“, schimpfe ich mit mir selber. „Dein Vater ist jetzt 88 und immer noch zwäg. Und die Lebenserwartung steigt. Ganz abgesehen davon dass du eine Frau bist und er keinen wirklich gesunden Lebensstil pflegt. Also mal angenommen, es bleiben dir noch 38 Jahre. Das ist gleichviel wie von damals als du 12 Jahre alt gewesen bist bis jetzt. Mehr als dein ganzes erwachsenes Leben.“ „Jaaaa, aber damals lag das Leben noch vor mir, war ich so gespannt darauf wie es sein würde, als Erwachsene zu leben“, grummelt mein Griesgram-Ich. „Was hindert dich daran, immer noch neugierig auf die Zukunft zu sein? Woher weißt du, was noch kommt? Oder dass eben nichts mehr kommt?“ „Jaaaa, aber....“.
So streiten die inneren Stimmen hin und her. Um mich davon abzulenken clicke ich mich durch meine Mails. Und stosse auf Buchwerbung: Emil hat zu seinem 80sten Geburtstag ein Buch geschrieben. 80! Den habe ich doch eben erst auf der Bühne des Schluefwegs gesehen und er war hinreissend. Es besteht also Hoffnung! Ich würde sagen, der Streit der Stimmen steht – tja – fifty:fifty.