kolumnen
Begrenzt
Kürzlich erzählte mir ein Freund, seine 14-jährige Tochter sei der Meinung, dass er ihr mehr Grenzen setzen müsse. Ach du meine Güte! Irgendwann vor noch nicht allzu langer Zeit ist irgend jemand auf die Idee gekommen, die Misere mit der "heutigen Jugend" liege darin begründet, dass man den Kids zu wenig Grenzen setze. Mein Adrenalinspiegel steigt ja schon beim Ausdruck "heutige Jugend", weil ich mich ganz deutlich daran erinnern kann, dass die "heutige Jugend" schon zu Zeiten meiner eigenen Jugend ein Problem war - jedenfalls für die Nicht-Jugend.
Als ich noch ein Kind war, revoltierte die damalige "heutige Jugend" gegen zu enge Grenzen. Heute finden "wir" also wieder, den Kindern seien mehr Grenzen zu setzen und alle nicken dabei zustimmend. Der Satz tönt gut, also wird er wohl stimmen.
Die, die es angeht, also praktizierende Eltern, bleiben irritiert zurück. Es gibt Leute, wie den eingangs erwähnten Vater, die sich selber vorwerfen, ihren Kindern keine Grenzen zu setzen. Ich guckte blöd und fragte nach: wirklich keine Grenzen? Momoll, die Tochter muss zu bestimmten Zeiten zu Hause sein, die Aufgaben müssen gemacht werden, man flucht nicht, ist anständig zu Freund und Feind, Eltern, Verwandten und Lehrpersonen, steht im Tram auf wenn Ältere einsteigen etc. Das "Keine Grenzen setzen"-Gefühl kommt wohl daher, dass der Tochter viele Wüsche erfüllt werden und der Vater viel Zeit und Mühe für sie aufbringt. Vielleicht hat man sie zu sehr verwöhnt, vielleicht nimmt man ihr zu viel ab? Diese Gedanken soll man sich machen, einverstanden, aber was hat das mit fehlenden Grenzen zu tun? Ein anderes Beispiel einer vermeintlich nicht Grenzen setzenden Mutter führte für das betroffene Kind zu künstlichen Grenzen, einfach damit man auch mal Streit hat miteinander. So muss der Bub nun täglich ein Rüebli essen (nur blöd, dass er das Rüebli inzwischen gern hat).
Sagen Sie selbst, das ist doch Blödsinn! Alle Eltern weisen ihre Kinder in die Schranken, weil sonst das Zusammenleben mit ihnen ein Graus wäre. Was allerdings nicht mehr so einfach geht, ist den Kindern Gehorsam und Unterwerfung unter ANDERE zu befehlen. Denn auch das erwartet man von heutiger Erziehung, dass die Kinder eine eigene Meinung haben und sich wehren können. Allerdings nur wenn der böse Mann auftaucht und nicht wenn sie es "Respektspersonen" zu tun haben. Schwierig, schwierig. Schade, dass man die Kinderlein nicht wie einen Computer programmieren kann. Nach meiner Erfahrung, sind allerdings Kinder meist anständig und machen was man ihnen sagt. Vor allem, wenn man ihnen mit dem selben Respekt begnegnet, den man von ihnen erwartet.
Meine Sicht der Dinge mag leicht rosa getönt sein, aber schlimm kann es mit den Kindern nicht sein, wenn sie selber nach Grenzen verlangen. Ich stelle mir das lustig vor: "Um zehn bist du zu Hause." - "Nein, Papi, bitte, bitte sag dass ich um 9 kommen muss." - "Gut, dann bist du um neun hier." - "Neeeiiiiiiin, alle anderen dürfen viel länger bleiben....."
Etwas gutes hat allerdings die neue Grenzen-Manie: Papa Jeker, seines Zeichens Regierungsrat, will die Grenze für Flugbewegungen bei 420'000 festlegen. Bin schon gespannt, wer zuerst schreit "neeeiiiiiin, die anderen dürfen viel mehr....."
