kolumnen
Wolkig
Liebe Leserinnen, liebe Leser. Ich schreibe dieses Parkett live an der Expo, wo wir mit Kind und Kegel den letzten Sonntag und Montag verbrachten. Es war unser zweiter Besuch, nachdem wir von einem Wochenende in Biel und Neuenburg begeistert zurückkamen. Ich ärgere mich nur darüber, dass wir, beeinflusst von mäkeligen Berichten, nicht schon früher da waren.
Jetzt ist es nämlich Herbst und Murten empfing uns mit strömendem Regen. Zum Glück wusste Herr Kernen von der SBB nichts davon. Sein Service am Bahnhof Kloten war so hervorragend, dass angenommen werden muss, dass er uns keine Tickets verkauft hätte, um uns vor nassen Füssen zu bewahren. A propos Service muss ich Ihnen unbedingt noch etwas erzählen: Letzte Woche ging es auf der Post hoch zu und her. Jede Menge Leute und dann auch noch eine Kundin, die lautstark und ausfällig das Personal beschimpfte und eine unheimliche Aggressivität ausstrahlte. Nachdem sie einem Angestellten mit der brennenden Zigarette - inzwischen wagte es niemnd mehr, sie auf das Rauchverbot hinzuweisen - im Gesicht herumgefuchtelt hatte, wurde die Polizei gerufen, welche sie auf den Boden beförderte und ihr Handschellen anlegte. Das tönt brutal und sah auch so aus. Völlig baff war ich aber über die Sanftheit, die den Beamten trotz Gewaltanwendung anzumerken war. Sie waren ruhig, umsichtig, geradezu fürsorglich, obwohl ihnen ihre Kundin offenbar als gewalttätig bekannt war. Kompliment, muss ich da sagen. Und nach dem Vorfall wurden - dingdong - alle Schalter auf einmal geöffnet und die Warteschlange in nullkommanichts abgebaut. Wenn das kein Service ist.
Aber zurück zur Expo. Nach einem regenbedingt verlängerten Mittagessen war die Stimmung wieder bestens. Eineinhalb Stunden anstehen um zum Monolithen hinauszufahren überforderte uns aber trotzdem. So landeten wir bei der Armeeausstellung. Die war zwar eher langweilig für mich Uninteressierte, aber auch hier ein kleiner Lichtblick: ein junger Soldat mit platinblonden, langen und lockigen Haaren, die er als Pferdeschwanz trug. Undenkbar noch vor nicht so vielen Jahren! Was ältere Leute vielleicht als Skandal betrachten werte ich als Erfolg. Mein Fazit, nachdem wir auch Yverdon genossen haben: Diese Expo zeigt meine Schweiz, ist meine "Landi", jedenfalls meistens. Ich befürchtete ja eigentlich Schlimmes, als die Frauen Fendt und Rist die Expo verliessen. Aber ihre Ideen sind geblieben. Ich habe zwar nie recht begriffen, was sie uns in blumigen Worten jeweils zu vermitteln versuchten. Aber wenn ich das, was sie sagten mit dem zusammenbringe was ich jetzt sehe, komme ich endlich draus, was sie meinten. Allerdings kann ich es ebensowenig in Worte fassen, man muss es einfach gesehen habe. Und irgendwann denkt es mit einem: Die Schweiz ist doch das beste aller Länder!
Oh je! Nun auch noch Patriotismus nach Polizeilob und Armeeausstellung. Meine GenossInnen werden mir wohl einen Parteiwechsel vorschlagen. Gemach, gemach: Ich weiss ja, dass wir nicht im Paradies leben, dass es bei uns vielen Menschen schlecht geht und sie die Hilfe von uns allen brauchen. Und ich weiss, dass diese Hilfe für den Frieden wichtiger ist als Militär und Polizei. Aber trotzdem: ziemlich gut ist sie schon, die Schweiz, nicht? Oder kennen Sie irgend ein anderes Land, das sich selber eine Wolke machen muss?
