kolumnen
Kasperlitheater
Eigentlich müsste man ja in dieser Zeit beschaulich im trauten Heim sitzen, bei Kerzenlicht Lieder singen und basteln. Ich aber verbringe ganze Tage an einer riesigen Wahlveranstaltung. Offiziell nennt man diese Veranstaltung Budgetdebatte des Kantonsrates. Eigentlich habe ich ja früher gemeint, das sei die wichtigste Debatte des Jahres überhaupt. Schliesslich geht es darum, wie und wozu der Staat sein Geld ausgeben soll. Aber ich lerne gerade, dass das Budget null Bedeutung hat. Die grösste Partei dieses Kantons will das Budget ablehnen, wenn nicht alle ihre Sparanträge durchkommen. Und die Sparanträge sind, ob nun absichtlich oder nicht, zum Teil so abstrus und wirklichkeitsfremd, dass es völlig klar ist, dass sie keine Mehrheit finden werden. Man könnte fast auf die Idee kommen, das sei gewollt. Die Chancen stehen darum "gut", dass das Budget abgelehnt wird, weil dies auch Teile meiner Fraktion tun wollen - was mich persönlich unglücklich macht. Jedenfalls musste sich auf diesem Hintergrund die Regierung überlegen, wie sie ohne Budget regieren soll und sie ist - Wunder über Wunder - darauf gekommen, dass das Regieren und Geld ausgeben im Wesentlichen auch ohne Budget ganz gut geht. Eher besser sogar, weil nicht immer der Kantonsrat mitredet.
Man könnte diesen Zirkus auch mit einem Kasperlitheater vergleichen. Die SVP spielt das Krokodil, die FDP den Polizisten, die SP das liebe Grosi und der Finanzdirektor ist der Kasperli. Den Running gag liefert das Krokodil mit seinen 8% Kürzungsanträgen. Der Polizist und das Grosi versuchen wacker, das Krokodil im Zaum zu halten. Aber eigentlich sollte der Kasperli mit dem Holzscheit zuschlagen, was er aber einfach nicht so recht machen will. Er hat nämlich das Krokodil irgendwie gern. Hie und da treten auch Einzelfiguren auf. Zum Beispiel der FDP-Frakionspräsident als Teufel, der das Krokodil immer und immer wieder mit frechen Sprüchen zur Weissglut treibt. Das Krokodil beisst dann jeweils zurück so gut es halt kann. Weil aber keine grosse Gefahr besteht, dass es an den Teufel oder den Polizisten herankommt, bleibt das Grosi ruhig und versucht hie und da mit einem beruhigenden "se, seee" die Wogen zu glätten. So läuft das Theater Stunde um Stunde weiter, und das Publikum hat eigentlich längst das Interesse verloren. Bewundernswerterweise halten aber die Darsteller tapfer durch und spielen ihre Rolle so, wie sie meinen, werde es von ihnen erwartet. Das Krokodil reisst das Maul auf, der Polizist gibt ihm eines auf die Nase und das Grosi regt sich langsam wirklich auf. Nur der Kasperli ist nach wie vor zurückhaltend. Zwar wird er von seinen Kumpels und Kolleginnen aus dem Regierungsrat wacker unterstützt, aber man hat fast das Gefühl, er selber habe, zum ersten Mal in der Geschichte des Kasperlitheaters, vor dem Krokodil kapituliert. Er macht Sparvorschläge, die das Krokodil dazu bringen sollen, niemanden mehr auffressen zu wollen. Aber eines ist ja auch klar: Wenn das Krokodil nichts mehr frisst stirbt es. Oder mit anderen Worten: Wenn das Parlament das tun würde, was die SVP so lauthals verlangt und worin sie die FDP halb-halb unterstützt, ginge ihr der Stoff aus für ihre Inserate und Plakate und sie würde eingehen. Das kann ja niemand wollen, darum machen wir also weiterhin jedes Jahr brav mit bei dieser Aufführung und hoffen alle Jahre wieder, dass vielleicht auch wieder einmal sachliche Diskussionen darüber möglich werden, wie und wozu der Staat die Steuergelder einsetzen soll.