
kolumnen
Natürliche Vielfalt
Mein letztes Wochenende war geprägt von einem ausgesprochen kontrastreichen Programm. Angefangen hat es am Freitagabend. Während sich Sohn Nr. 2 im Kindertanztheater in Bülach vergnügte, wollte ich einkaufen gehen. So jedenfalls lautete der Plan. Womit ich nicht gerechnet hatte, war das Nordostschweizer Jodlerfest. Ein munteres Völklein war trotz ekligem Nieselregen in der Stadt unterwegs. In den bunten Trachten steckten übrigens auffallend viel mehr Männer als Frauen. Aus vielen Ecken klang Musik, sowohl live als auch aus Lautsprechern. Am nächsten Morgen begrüsste ich die Teilnehmenden an einem Kurs zum Thema Heimat. Menschen aus mancherlei Nationen sassen da zusammen, um über Heimat zu diskutieren. Ich weiss nicht, wie viele von ihnen einen Jodel mit Heimat in Verbindung bringen. Ich vermute, es war bestenfalls eine Minderheit. Und trotzdem sind es alles Menschen, deren Heimat die Schweiz ist - oder geworden ist.
Dasselbe gilt für die Leute, zu denen ich anschliessend eingeladen war. Es war eigentlich ganz ähnlich wie bei den Jodlern: Viel mehr Männer als Frauen, die einen in bunten Trachten und Musik aus jeder Ecke. Allerdings war eine grössere Mehrheit als bei den Jodlern war ganz unauffällig. Das Merkmal, das sie verbindet, ist ihre Homosexualität. Für viele von ihnen ist es nach wie vor nicht selbstverständlich, so offen zu diesem Merkmal zu stehen, wie sie das an der Feier zum Christopher-Street-Day am Samstag gemacht haben. öffentlich gibt sich unsere Gesellschaft Schwulen und Lesben gegenüber liberal. Zum Glück! Aber hinter dieser Fassade sind noch immer Benachteiligungen und Zurücksetzungen versteckt. Dabei sind die Jodler wirklich viel auffallender!
Immerhin: Petrus hat die Jodler genauso wenig gern wie die Schwulen, denn auch der CSD wurde von diesem üblen Stop-and-Go Nieselregen gebeutelt. Erst am Sonntag wurde es schön. Ob der Papst wirklich einen besseren Draht nach oben hat? Ich genoss jedenfalls einen ausgiebigen Spaziergang in der Umgebung von Kloten und war einmal mehr von der Vielfalt und üppigkeit der Natur begeistert. Vor allem dort, wo nur selten gemäht wird, findet man auf kleinstem Raum unglaublich viele verschiedene Pflanzenarten. Und eine Mehrheit davon ist sogar als Nahrungs- oder Heilmittel nutzbar. Ein grosszügiges Geschenk der Natur.
So stelle ich mir auch die Schweiz vor, so möchte ich meine Heimat haben: Eine grosszügige, florierende Gegend, in der man wachsen lässt was wachsen will. Jedenfalls so lange, wie nicht ein Kraut alle anderen verdrängt. Das gefällt mir auf jeden Fall viel, viel besser als eine gepützelte, grüne Rasenfläche, die bloss eine Menge Arbeit macht, aber niemals die Schönheit und Nützlichkeit einer Naturwiese erreichen kann.