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Januarblues

Heute morgen ist mir eine Zeugin aus vergangenen Zeiten begegnet. Eine grosse Flasche Seifenblasenwasser, ganz oben hinten im Geschirrschrank. Dort habe ich sie einst versteckt, um sie aus dem Blickfeld des jüngeren Sohnes verschwinden zu lassen, der eine Zeit lang derart darauf versessen war, dass man ihn  nicht gewähren lassen konnte. Spätestens wenn das Essen auf dem Tisch stand und sich um die besagte Flasche ein See aus Seifenwasser gebildet hatte, war jeweils Schluss. Das ging selten ohne Gezeter ab und das Bürschchen wusste ganz genau, wo die geliebte Flasche versteckt war. Er zog einen jeweils vor den Schrank und deutet nach oben. Reden konnte er damals noch nicht so gut.

Das heisst, dass die Flasche nun wohl etwa zehn Jahre an ihrem Platz verbracht hat, denn der besagte Bub wurde soeben zwölf. Zuerst musste ich über meinen Fund lachen – und dann wurde ich sentimental. Meine Güte, das war doch alles eigentlich erst gestern! Ich erinnere mich, wie mir einst Ruedi Zuppinger sagte, es gehe wahnsinnig schnell und dann seien die Kinder gross. Das kann man nach end- und schlaflosen Nächten, in Bergen von schmutziger Wäsche und Windeln nachdem das Baby sich gerade auf den weissen Flauschteppich der Chefin erbrochen hat nicht glauben. Ich weiss noch wie ich die Male zählte, die ich noch den Weg mit Kind und Veloanhänger in Richtung Spielgruppe unter die Räder nehmen musste, bis auch Sohn Nr. 2 in den Kindergarten kam. Aber von da an lief der Zeitraffer.

Die Kinder haben getan, was sie sollten: Sie wurden gross und selbständig und werden es immer noch mehr. Und schon stellt sich Wehmut ein. War’s nicht auch extrem herzig wie sie herum stiefelten, lachen wir nicht noch immer über ihre Wortschöpfungen, waren wir nicht stolz wie Pfaue über jede neu erlernte Fähigkeit? Oh ja, es waren wunderbare Zeiten. Und sind es immer noch. Erwachsen sind sie ja nun noch nicht gerade.

Aber: The Times They Are a Changin, wie Bob Dylan sang. Ha, das ist der Ursprung der wehmütigen Gedanken. Soeben hat nämlich die Schweizer Hitparade 40-jähriges Jubiläum gefeiert. Davon habe ich sicher 30 Jahre bewusst mitbekommen und kannte praktisch jedes Stück, das anlässlich des Jubiläums gespielt wurde. Man wird nichts als älter und die Weisheit lässt noch auf sich warten, das berechtigt doch zu einem kleinen Januar-Blues, nicht wahr?
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