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- Kategorie: Voten im Kantonsrat
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Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Regierungsrat, geschätzte Kolleginnen und Kollegen
Wir haben heute drei schwierige Aufgaben zu erfüllen:
Erstens müssen wir Gefühle von Wut, Enttäuschung, Misstrauen und den Eindruck, betrogen worden zu sein, bewältigen.
Zweitens müssen wir einer verunsicherten, teilweise verzweifelten aber auch wütenden Bevölkerung und Belegschaft vermitteln, dass es Hoffnung gibt und dass wir das Richtige tun, um den Schaden so klein wie möglich zu halten. Und wir müssen glaubhaft machen, dass es nicht darum geht, etwas zu vertuschen und begangene Fehler zu beschönigen, sondern dass wir die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen werden.
Drittens müssen wir entscheiden, ob wir 300 Millionen Franken in ein risikoreiches Projekt investieren wollen, allen sozialen, ökologischen und wirtschaftspolitischen Bedenken zum Trotz.
Und das alles muss ich Ihnen in 10 Minuten erläutern.
Zum ersten Punkt:
Wir alle haben wohl in den letzten Wochen einiges zu hören bekommen von Leuten, die sehr sehr wütend sind über das Ende der Swissair respektive die Art und Weise, wie alles abgelaufen ist, ganz egal wie betroffen die Leute sind.
"Marktwirtschaft ist effizient, aber sie ist nicht gerecht", hat die ökonomin Heidi Schelbert gesagt. Diese Ungerechtigkeit kennen die Swissairangestellten. Sie haben mehrere Entlassungwelle hinnehmen müssen, ihre Anstellungsbedingungen wurden immer schlechter und immer sagte man ihnen, das sei alles nötig, um die Swissair zu retten. Jetzt sehen sie, dass das nichts genutzt hat und ich verstehe, dass sie sich verraten fühlen.
Dann gibt es noch die Wut derjenigen, die geglaubt haben, dass die Belastungen in dem Ausmass wie wir sie zu ertragen hatten, unumgänglich seien. Mal um Mal hat man Ihnen und uns gesagt, ohne diese Unmenge von Flugbewegungen breche die schweizerische Volkswirtschaft zusammen und Sie haben es geglaubt und gegen die Bevölkerung verteidigt. Dass auch Sie sich nun verraten und "bschissä" vorkommen ist verständlich.
Und dann gibt es die, die sagen können "wir haben es schon immer gewusst". Die SP zählt sich hier auch dazu. Aber es wäre falsch, nun dieselbe überheblichkeit an den Tag zu legen, wie wir sie Jahrzehntelang von den Flughafen-Promotoren erlebt haben, und ihnen nun zu sagen "luegäd sälber". Denn wir tragen die Verantwortung für eine funktionierende Volkswirtschaft!
Es ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, den ärger aber auch die Genugtuung beiseite zu schieben und als verantwortliche Politikerinnen und Politiker, die Handlungsmöglichkeiten mit ihren Folgen abzuschätzen und dann kühl rechnend zu entscheiden.
Zum zweiten Punkt:
Die Leute, die am Flughafen arbeiten und ebenso ihre Familien, Freunde und Bekannten, schweben seit Wochen zwischen Hoffen und Bangen. Sie brauchen endlich wieder etwas Beruhigung und Zuversicht. Es ist unsere Aufgabe, ihnen dies zu geben.
Fast jeden Tag werden wir mit neuen Katastrophenmeldungen bombardiert und es findet sich immer wieder jemand, der gerne bereit ist, darüber zu lamentieren, wie schlimm und hoffnungslos alles ist und dass "es" sowieso nie klappen wird.
Damit muss nun endlich Schluss sein! Es ist unsere Aufgabe, der Bevölkerung zu zeigen, was der Kanton tut um die Situation zu verbessern, dass er das Richtige tut (und das tut er, wie die Erfolge der Arbeitsgruppe Flugnahe Betriebe zeigen) und dass man sich auf die Politik verlassen kann. Dabei stehen auch Sie in der Verantwortung. Wer jetzt die Stimmung nutzt, um die ängste und die Wut zu schüren und diese Energien dann auf die eigene politische Mühle lenkt, handelt in hohem Grade verantwortungslos.
Zum dritten und letzten Punkt:
Der umstrittene Teil dieser Vorlage ist die Frage, ob man 300 Millionen in eine neue Airline investieren soll oder nicht.
Es gibt diejenigen, die sagen, das Projekt sei zu riskant und der Kanton dürfe dieses Risiko nicht eingehen. Aber (und dieses Wort habe ich noch nie so oft gebraucht wie in den letzten Wochen): Aber: Das Risiko, das wir eingehen, wenn wir es nicht versuchen, wird von der SP als sehr viel höher eingeschätzt! Die Zahlen sind unterschiedlich, aber in den Grössenordnungen stimmen sie überein: der Verlust von Arbeitsplätzen wird mit mehreren 10'000 beziffert, der Verlust an Steuereinnahmen mit über einer Milliarde jährlich angegeben, der Verlust beim Bruttosozialprodukt mit zweistelligen Milliardenbeträgen. Diejenigen die sagen, es werde schon nicht so schlimm kommen, können dies nicht belegen.
Wenn Sie sagen, es sei völlig egal, welche Fluggesellschaft Kloten anfliege, es sei eine rein emotionale Frage, dann haben Sie zwei Dinge nicht begriffen:
- Wenn ausländische Fluggesellschaften Kloten anfliegen, dann haben wir zwar die Belastungen mit Lärm und Abgasen zu erdulden - aber wir haben die Arbeitsplätze nicht! Wir haben sie bei der Fluggesellschaft nicht und die Dienstleistungen, die von den flugnahen Betrieben erbracht werden, werden diese Gesellschaften bei sich zu Hause beziehen und nicht bei uns!
- Eine ausländische Fluggesellschaft wird Kloten anfliegen, um bei sich zu Hause die grossen Langstreckenflieger zu füllen und sicher nicht umgekehrt. Kloten wird also zu einem regionalen Flughafen, der als Zubringer für einen anderen Hub dient. Das kann durchaus auch ein Konzept für Kloten sein. Aber das müsste eine langsame Entwicklung sein und nicht auf einen Schlag erfolgen, wenn man den Kollaps verhindern will. Und das wollen wir.
Die SVP bitte ich, sich gut zu überlegen, ob sie tatsächlich einen Regionalflughafen will und ob sie nicht vielleicht dann doch das Gefühl bekommt, das Geld für den Flughafenausbau sei fehlinvestiert worden.
Es gibt diejenigen, die sagen, es könne nicht Aufgabe des Staates sein, die Fehler der Wirtschaft zu korrigieren.
Tja, es ist unschön und wir hätten es auch lieber anders. Aber der Staat muss das machen, weil er die Verantwortung für die Volkswirtschaft trägt. Es ist nur allzu deutlich geworden, dass diese Verantwortung von der Privatwirtschaft nicht wahrgenommen wird. Wer, wenn nicht der Staat, soll denn handeln, wenn die Wirtschaft offensichtlich unfähig ist dazu? Ich jedenfalls bin nicht bereit, mich fatalistisch auf mein Hinterteil zu setzen und zu sagen, jä nu, jetzt ist es halt passiert, leiden wir gemeinsam.
Ich will mich wehren und nicht Opferlamm auf dem Altar einer wirtschaftspolitischen Theorie sein. Und ich finde, dass die Bevölkerung den Anspruch an den Staat haben darf und haben soll, dass er sich für sie einsetzt.
Viele Leute haben sich an mich gewandt mit dem Anliegen, man solle das Geld doch besser für Sozialpläne ausgeben. Nein! Das dürfen wir auf gar keinen Fall machen. Das ist nicht die Aufgabe des Staates.
Der Swissair - Verwaltungsrat hat grosszügige Sozialpläne unterschrieben zu einem Zeitpunkt, wo er schon gewusst hat oder hätte wissen müssen, dass er sie nicht wird aus dem Geld der Firma bezahlen können. Es kann und darf nicht sein, dass jetzt der Staat zur Erfüllung dieser Sozialpläne zur Kasse gebeten wird! Die verantwortlichen Verwaltungsräte kommen zusammen auf ein Vermögen von etwa sieben Milliarden Franken. Man würde eigentlich meinen, dass sie die im Moment für Sozialpläne benötigten 140 Millionen Franken zusammenkratzen können! Das ist die richtige Adresse für diese Forderung.
Dann gibt es noch diejenigen, die finden, es sei zwar schlimm und etwas plötzlich, aber auch positiv, weil nun endlich die Belastung durch den Fluglärm zurückgehe. Dazu muss gesagt werden: Mit der neuen Airline bewegen wir uns auf jährliche Flugbewegungen von 240 bis 250'000 zu. Das ist eine Grössenordnung, für deren Nicht-überschreitung wir uns auf politischem Weg eingesetzt haben und weiterhin einsetzen müssen und werden. Wenn die neue Airline nicht startet, heisst das aber nicht, dass wir auch die von ihr verursachten Belastungen nicht haben werden, denn der Flughafen wird versuchen, andere Gesellschaften anzuziehen. Mit dem schon einmal erwähnten Effekt, dass wir dieselben Belastungen haben, aber die Arbeitsplätze nicht!
Wer sagt, er oder sie sei gegen die Beteiligung an der neuen Airline, aber für die 100 Mio. für die flugnahen Betriebe, hat leider das Konzept der Regierung nicht verstanden. Mit den 100 Millionen soll den flugnahen Betrieben der übergang bis zum nächsten Frühjahr, dem Start der neuen Airline, ermöglicht werden. Wenn die neue Airline nicht in der Grössenordnung des Konzeptes 26/26 startet, dann braucht es auch diese übergangsfinanzierung nicht, weil sich diese Betriebe dann nicht werden halten können.
Wenn die Airline überhaupt nicht startet, gehen die Nebenbetriebe Konkurs.
Wenn die Airline in reduziertem Ausmass startet, benötigen sie sehr viel mehr Geld und ich denke nicht, dass Sie tatsächlich wollen, dass der Staat Geld in nicht überlebensfähige Unternehmen steckt oder mit anderen Worten den Strukturwandel behindert. Wenn Sie nicht wollen, dass die Airline im geplanten Umfang startet, sagen Sie, Sie wollen den Strukturwandel hin zu einem Regionalflughafen. Damit produzieren Sie auf einen Schlag mindestens 5000 Arbeitslose direkt am Flughafen. Immerhin: dies wird wohl die weitreichendste Entscheidung sein, die Sie je getroffen haben.
Wir müssen den Start der Airline in der Grössenordnung von 26/26 ermöglichen, wir werden diejenigen sein, die davon profitieren, weil wir tausende von Arbeitsplätzen hier bei uns erhalten können. Wobei nicht verschwiegen werden soll, dass so oder so eine grosse Anzahl Arbeitsplätze verloren ist.
Und zum Schluss: es ist für mich undenkbar, dass Bund und Wirtschaft zusammen versuchen das Schlimmste zu verhindern, und nur die am meisten betroffenen Zürcherinnen und Zürcher stehen bequem abseits und warten darauf, dass man ihnen hilft. Obwohl: ich fände es noch pikant, dass "meine" Stadt Kloten mit 5 Millionen Franken an der Airline beteiligt sein würde und der Kanton mit 0.
Aber mir ist nicht so um's scherzen. Ich bitte Sie:
Vergessen Sie jetzt ihre Wut, ihren ärger, aber auch ihre Schadenfreude, setzen Sie ein Zeichen, geben Sie der Bevölkerung wieder ein Stück Sicherheit und Hoffnung und stimmen Sie diesen beiden Krediten zu und nehmen Sie damit ihre volkswirtschaftliche Verantwortung wahr!